Freestyle Libre vs. Dexcom G5

Die Firma Dexcom hat mir die Möglichkeit gegeben vier Wochen lang den Dexcom G5 auszuprobieren. Ich muss daraus natürlich wieder eine Competition machen. Das Freestyle Libre, das ich normalerweise nutze, musste gegen den Dexcom antreten. Dabei habe ich erstaunliches festgestellt und den Fehler für meinen schlechten HbA1c gefunden – okay, 7,0% ist nicht wirklich schlecht, aber ich möchte meinen 5er-Wert wieder zurück, um mich selbst wohl zu fühlen.

FGM vs. CGM – was ist eigentlich der Unterschied?

Ich nutze seit Sommer 2017 ein FGM. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das Flash Glucose Monitoring vertreten durch das FreeStyle Libre aus dem Hause Abbott. Es ist ein System zum kontinuierlichen Messen des Glukosewertes im Zwischenzellwasser (mehr Infos auf der Produktseite von Abbott). Dieselbe Grundlage zur Messung hat auch ein CGM (Continuous Glucose Monitoring). Hier wird ebenfalls ein Sensorfaden unter die Haut gegeben. In meinem Fall war es der Dexcom G5 8mehr Infos auf der Produkseite von Dexcom). Dieser hat einen deutlich feineren Sensorfaden als das FreeStyle Libre. Dieses optische Merkmal viel mir als erstes auf.

Der wichtigste Unterschied liegt in der Kommunikation und der Kalibrierung der beiden Systeme. Das FreeStyle Libre zeigt nur Werte an, wenn diese abgescannt werden. Es sendet nicht aktiv Informationen an das Messgerät oder das Handy (nur Android). Scannt man mehr als acht Stunden nicht, entsteht eine Messlücke, da der Sensor sich nicht länger „erinnern“ kann. Der Dexcom G5 ist im Gegensatz dazu richtig gesprächsfreudig. Er sendet kontinuierlich den Blutzuckerwert an Messgerät oder Handy. Im Gegensatz zum Libre stehen hier auch Apple-Usern beide Optionen zur Verfügung. Ein CGM ermöglicht dem Nutzer zudem eine Ober- und Untergrenze für den Blutzuckerwert festzulegen. Sobald eine dieser Grenzen über- oder unterschritten wird, warnt das System.

(Foto: KMT)

Und wie kriege ich das nun unter die Haut?

Hier bekleckern sich beide Systeme nicht mit Ruhm. Das FreeStyle Libre wird mit einer Einwegsetzhilfe in die Haut geschossen. Das geschieht (meistens) schmerzlos. Sensor und Setzhilfe müssen vorher jedoch zusammengebaut werden. Dieser Schritt entfällt bei dem Dexcom G5. Hier wird alles in einem geliefert, aber auch diese Setzhilfe ist ein Einwegprodukt. Für mich ist dies ein ärgerlicher Faktor, da ich mich bereits intensiv mit vermeidbaren Müll in der Diabetestherapie beschäftigt habe (mehr dazu hier). Das Setzen des Dexcom G5 ist eine Wissenschaft für sich. Ich empfehle jedem vorab ein Video zu schauen, da die Abfolge der Schritte sehr wichtig ist (zum Beispiel hier im Vlog Diabeteswelt).

Ein optimistisches FreeStyle Libre und das böse Erwachen

Natürlich kann ich keinen umfassenden Test gemacht. Viele Faktoren sind unter diesen Bedingungen gar nicht zu erfassen. Ich habe jeweils zwei unterschiedliche Sensoren beider Systeme gleichzeitig getestet. Es kann durchaus sein, dass mal ein Sensor doof sitzt und dadurch falsche Werte liefert, das sagt aber noch nichts über das gesamte System aus.

Der größte und deutlichste Unterschied war für mich die Messgenauigkeit vom Dexcom G5. Es kamen einige Probleme in der Nacht zum Vorschein. Generell hatte ich bemerkt, dass das Libre mir immer bessere Werte anzeigte als die blutigen Messungen. Das war recht konstant und das konnte ich einkalkulieren. Nachts wurde mir eine wunderbar gerade 100er-Linie vom Libre angeschaut. Der Durchschnittswert lies auf einen HbA1c um die 6,2% hoffen. Tatsächlich waren es aber 7,0% und ich war sehr deprimiert, da all meine Bemühungen seit dem Sommer nicht geholfen hatten. Der Dexcom offenbarte dann die Wahrheit: Nachts lag ich eher bei 200er-Werten und diese waren auch nicht stabil. Eindeutig wurde da ohne mich eine Party gefeiert. Dies führte zum ersten bösen Erwachen, was das System des FreeStyle Libres angeht. Ich musste meine Basalrate nachts deutlich überarbeiten.

80 mg/dl Abweichung als Normalfall (Foto: KMT)

Tragekomfort ohne Sieger

Das Libre ist viel flacher als der Dexcom, der als ordentlicher Klotz daherkommt. Dafür ist das Pflaster des Dexcom G5 wesentlich hautschonender. Dies geht jedoch zu Lasten der Überlebensdauer eines solchen Pflasters. Beim Libre hatte ich jedoch schon einige Male Hautirritationen, die teilweise erst entstanden, wenn ich den Sensor nach 14 Tagen versuchte runterzubekommen. Der Dexcom kommt meiner Meinung nach nicht ohne eine zusätzliche Fixierung aus. Ich persönlich würde mich dennoch eher für das Pflaster des Dexcoms entscheiden, als für das des Libres.

Der ultimative Härtetest für die Haltbarkeit der Pflaster war ein Saunabesuch. Beide Systeme waren bereits am Ende ihrer Laufzeit und ich wollte wissen, wie lange sie dann noch durchhalten. Hitze, Wasser und Schweiß sollten den beiden Sensoren zusetzen. Der Kampf war jedoch nicht ganz fair, da der Dexcom bereits mit Tape fixiert war. Nach etwa 6 Stunden versagte auch das. Der Libre gab erst nach 8 Stunden auf. Ich glaube, wenn ich auch ihn fixiert hätte, hätte es durchgehalten.

Nach dem Saunatest (Foto:KMT)

Fazit

Jeder Diabetiker sollte seine Therapie seinen eigenen Bedürfnissen anpassen. Das Libre ist eine kostengünstige und einfache Methode einen Überblick über den eigenen Blutzuckerverlauf zu bekommen. Auch wenn es Werte optimistischer anzeigt, so kann man doch z.B. Schwankungen erkennen und diese minimieren. Der Dexcom G5 weist eine höhere Messgenauigkeit auf und ist daher etwas für Profis, die es ganz genau wissen wollen. Die Warntöne sind insbesondere für Menschen mit einer Hypowahrnehmungsstörung und Schwangere sehr sinnvoll. Mir persönlich wäre die Zuverlässigkeit eines Systems am wichtigsten und das sehe ich bei dem Dexcom G5. Zwar kann auch hier mal ein Sensor schlecht liegen und Abweichungen haben. Jedoch kann man dem Sensor hier durch die tägliche Kalibrierung wieder auf den richtigen Weg führen.

Faktenvergleich

Abmessung Sensor/

Sender

Mobile Auslese-möglichkeiten

Trend-pfeile

Kalibrierung

Warnung

Dauer

FreeStyle Libre 35 x35x5

mm

Android ja ab Werk nein 14

Tage

Dexcom G5 23x38x13

mm

Android, iOS ja Täglich 2mal ja 7

Tage Sensor

3

Monate Transmitter

Quellen:

https://www.diabetes-online.de/infobox/a/fgm-cgm-closed-loop-welches-system-fuer-wen-1799394

http://www.t1team.de/diabetes-technologie/kontinuierliches-glukose-monitoring-cgm/

https://www.freestylelibre.de/?gclid=CjwKCAiApdPRBRAdEiwA84bo35SsRS8r2Im3AbJ6lddlOHAsQ8L5MaebFvqtM8pUesOnpVHK4JyY8xoCFZEQAvD_BwE

*Dieser Beitrag entstand in freundlicher Zusammenarbeit mit Dexcom, die mir unentgeltlich Sensoren und einen Transmitter zur Verfügung stellten. Der Inhalt dieses Blogartikels fasst meine persönlichen Erfahrungen sowie meine eigene Meinung zusammen und wurde von keinem Vertreter der im Artikel genannten Firmen beeinflusst.


6 responses

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  1. Ich weiss schon lange, dass der Libre nicht genau ist und bin nur deswegen zunächst zu meinem Messgerät zurückgekehrt und dann zum Dexcom gewechselt. Um so schlimmer finde ich, das in Österreich der Libre für die Schwangerschaft zugelassen ist und Dexcom nicht. Bei mir hält der Dexcom min. 8 Tage ohne Tape, aber erst seit ich auf die Akoholdesinfektion verzichte.
    Aber das Wichtigste: Ich habe den Dexcom seit Frühling 2017 und keinen Hypo mehr, wo mir jemand anderer Zucker geben musste oder ich in der Arbeit negativ aufgefallen wäre, da er mich immer zuverlässig warnt! Wenn man vergisst zu kalibriren, läuft er außer am Anfang weiter (ist mit Kalibrirung genauer, aber selbst bei Vergessen genauer als der Libre). Wenn der Blutzucker sich SEHR rasch ändert, sollte man ansichtlich „vergessen“, weil es sonst zu falschen Werten kommen kann.

    1. Hallo Veronika,
      vielen Dank für Dein ausführliches Feedback und dass Du Deine eigenen Erfahrungen beschreibst. Ich bin mittlerweile auch vollständig auf den Dexcom gewechselt. Dass dieser gar nicht in Österreich für Schwangere zugelassen ist, das Libre aber schon, schockt mich etwas!
      Das Libre ist aber nicht grundsätzlich schlecht. Es zeigt einen auch Tendenzen und Verläufe an. Es ist eben eine kostengünstige Alternative, um mal mehr über den Blutzuckerverlauf zu erfahren. Bei Typ1ern mit Problemen (Hypowahrnehmungsstörung, starke Schwankungen etc.) macht aber wohl nur ein CGM wirklich Sinn. Ich habe es letztens so beschrieben: Das Libre ist ein Smart und der Dexcom eben ein Porsche. 😉

  2. Mich stört auch, dass der Libre und Diabetikerwarnhunde (sind etwas weniger genau bei Unterzuckerungen, bringen Dir dafür Zucker) massiv beworben werden, der Dexcom aber nicht.
    Dass so viele Leute Probleme mit dem Einsetzen des Dexcom haben, hat auch damit zu tun, dass die Anleitung falsch ist. Es wird nicht erwähnt, dass der Sender zuerst SCHRAEG gekippt einrasten muss in den Sensor. Man sieht es im Video, aber nur wenn man es langsam abspielt (wird weder schriftlich noch mündlich im Video erklärt). Die Anleitung zum Einsetzen müsste dringend überarbeitet werden!

  3. Gefährliche Fehldosierungen von Humalog durch Messungen mit dem Freestyle Libre

    Seit 1974 bin ich ein insulinpflichtiger Diabetiker. Geboren bin ich im Juli 1958 und nun darf ich mich laut Jahreszahlen in 2018 zur Kategorie der beigefarben gekleideten Rentnergeneration zählen.
    Das heißt, ich könnte es, wenn ich es so wollte. Aber nein – ich kleide meinen schlanken, sportlichen und überhaupt nicht rentnermäßig gealterten Körper in Klamotten, die kein optisches Unwohlsein verursachen können.
    Meinen Typ-1-Diabetes hatte und habe ich seit 44 Jahren so im Griff, dass ich noch keinerlei Spätschäden am Körper beklagen muss.

    Effektiven Diabetes-Behandlungsmethoden war ich immer aufgeschlossen und so habe ich mich auch im Frühjahr 2018 für die Verwendung des Freestyle Libre entschieden.
    Das blutige Stechen der Finger hatte mich seit Jahrzehnten nicht sonderlich gestört aber das Gefummel mit dem gesamten Blutzuckertestverfahren war schon so manches Mal lästig und besonders in schlecht beleuchteten Räumen nahezu unmöglich.
    Nun sollte der Freestyle Libre mein künftiges Leben vereinfachen.

    Stattdessen war diese Entscheidung für dieses Gerät für mich das Schlimmste, was mir seit über 40 Jahren mit meinem Diabetes widerfahren ist.

    Folgendes passierte mir am Sonntag den 01. Juli 2018:
    Um 13:32 Uhr maß ich mit dem Freestyle Libre einen Wert von 57 – der Pfeil zeigte eine sinkende Tendenz. Ich aß ca. 400 g Süßkirschen und maß um 14:49 mit dem Freestyle Libre erneut. Jetzt zeigte es 318 – der Pfeil wies hin auf stark steigende Tendenz.
    Ich spritze nun 8 Einheiten Humalog – um den erhöhten Wert zu senken und um die Kohlenhydrate der Kirschen auszugleichen.
    Gegen 16:00 Uhr war ich mit meinem Auto auf dem Rückweg nach Hause. Beim Fahren durch eine Wohnstraße ganz in der Nähe meines Hauses spürte ich, dass mein Blutzucker absank. Ich wollte deshalb anhalten und einparken um Traubenzucker zu mir zu nehmen. Dabei krampfte ich jedoch bereits und ich fuhr auf ein an der linken Straßenseite parkendes Auto. Passanten sahen den Vorfall und riefen umgehend die Polizei.

    Diese nahm den Vorfall zum Anlass, mir umgehend meinen Führerschein zu entziehen.

    Am nächsten Tag bin ich zu meinem mich behandelnden Arzt, einem Diabetologen in einem Diabetes Zentrum gegangen und habe ihm den genauen Ablauf und die präzise Beschreibung des Unfallhergangs geschildert.
    Von Seiten der Polizei wird mir vorgeworfen, dass eine Straftat begangen hätte, weil ich meinen Diabetes nicht im Griff hätte.
    Ich hätte eine Bewusstlosigkeit in Kauf genommen, weil sie von dem eingetroffenen Unfallteam aufgrund meines niedrigen BZ diagnostiziert wurde.
    Das ist jedoch nicht die richtige Schlussfolgerung der Polizei.

    Ich war während des Unfalls nicht bewusstlos und auch noch nicht im Zeitraum kurz danach.
    • Erinnern kann ich mich, dass ich kurz vor dem Aufprall meines Fahrzeugs im Begriff war, anzuhalten um einen Orangensaft zu trinken und Traubenzucker zu essen.
    Dabei habe ich jedoch bereits gekrampft und somit ist mir das Lenkrad aus den Händen geglitten.
    • Ich weiß ebenfalls noch, dass nach dem Aufprall sehr schnell einige Passanten bei mir waren, die mich aus dem Auto gezogen haben.
    • Ein Mann umgriff mich von hinten und eine Frau zog mir die Beine nach vorne, um mich auf dem Boden abzulegen. Dabei lies mich der Mann nicht vollständig los sondern blieb hinter mir hocken um mich zu stützen und zu halten.
    • Die Frau war eine Ärztin und sie brachte eine goldene metallisch glänzende Decke herbei, um diese unter mich zu legen.
    • Ich hörte, dass man über mich sprach und die Personen rätselten, was passiert sei und warum. Sie hatten wohl gesehen, dass ich unsicher mein Fahrzeug gelenkt hatte und sie fragten sich, warum ich auf der Straße in den anderen PKW gefahren bin obwohl es keinen Grund gab irgendetwas auszuweichen.

    Der BZ sank weiter nach dem Unfall – das führte zur Bewusstlosigkeit
    • Dem Mann und der Frau, die sich anscheinend nicht kannten, weil der Mann erfreut war, dass die Frau sich als Ärztin vorstellte sowie anderen Personen, die aus der näheren Entfernung ebenfalls zusahen war noch nicht klar, dass ich unterzuckert war.
    • Ich war selber nicht in der Lage, deutlich zu artikulieren, dass ich Traubenzucker bräuchte und somit wurde ich diesbezüglich von den Anwesenden nicht versorgt. Mein BZ sank also nach wie vor.
    Erst dadurch verlor ich in dieser Situation das Bewusstsein und erwachte im Krankenwagen, wo eine BZ-Höhe von 43 festgestellt wurde.
    Fazit: Ich war während des Unfalls nicht ohne Bewusstsein sondern habe nur auf die Unterzuckerungssymptome nicht früh genug und auch nicht schnell genug reagiert.
    Ich hoffe, dass die Polizei die Namen der Zeugen notiert hat und dass damit meine oben genannten Situationsschilderungen bestätigt werden können.

    Die mangelhafte Genauigkeit des Abbott Freestyle Libre hat mich in diese missliche Situation gebracht.

    • Das Verlaufsprotokoll des Freestyle Libre zeigt mir, dass ich am Sonntag, den 01. Juli nach dem Verzehr der Süßkirschen um etwa 14 Uhr anschließend um 14:49 Uhr einen BZ in Höhe von 318 gehabt haben solle.
    • Im Krankenhaus, wo ich nach dem Unfall versorgt wurde konnte ich jedoch feststellen, dass die angezeigten Werte des Freestyle Libre und die Messungen mit den Laborgeräten überhaupt nicht überein stimmten.
    • Ab dann habe ich ebenfalls stets Vergleichsmessungen mit meinem BZ-Gerät Accu-Check Mobile durchgeführt. Diese zeigen bei mittlerweile sehr zahlreichen Messungen deutlich, dass die Abweichungen der Messergebnisse umso größer sind, je höher mein BZ-Wert ist.
    • Dabei zeigt Freestyle Libre insbesondere ab BZ-Werten von etwa 200 Werte an, die mindestens um 100 höher liegen, als die angezeigten beim Accu Check Mobile.
    • Nach den Vergleichsmessungen mit meinem Accu-Check Mobile ergibt sich, dass der BZ-Wert von 318 nicht vorgelegen hat sondern höchstens ein Wert von etwa 220.
    Meine Korrekturinjektion war also aufgrund dessen falsch dosiert.

    Fehldosierungen von Humalog sind durch Messungen mit dem Freestyle Libre die gefährliche Folge.

    Die Korrektur des mit dem Freestyle Libre gemessenen Blutzuckers durch die Injektion von 8 Einheiten Humalog war also falsch und hat zu dieser Unterzuckerung geführt. Nicht zuletzt dadurch, dass meine Insulinempfindlichkeit am Nachmittag höher ist als am Vormittag. Aber das Freestyle Libre zeigt mir auf dem Display stark steigende Tendenz an des Wertes von 318. Somit hielt und halte ich die Dosis für angemessen – sie war aber effektiv falsch, was ich nur durch eine Vergleichsmessung mit dem Accu Check Mobile erfahren hätte, wenn ich bereits damals schon dem Freestyle Libre misstraut hätte.
    Eigentlicher Verursacher meines Autounfalls mit Verlust des Führerscheins ist meiner Ansicht nach somit das fehlerhafte Blutzuckermessgerät Freestyle Libre.

    Kein Einzelfall
    Ich habe jetzt hinsichtlich der Genauigkeit der Abbott Freestyle-Geräte recherchiert und dabei festgestellt, dass es zahlreiche Meldungen von Benutzern gibt, dass diese Geräte unzuverlässige Werte geben.
    Da ich das Gerät erst seit etwa zwei Monaten benutze, war ich nicht darüber informiert und vermutete es auch nicht, dass solche Risiken bestehen, wenn man diesem Gerät vertraut.
    Sollte ich nicht meinen Führerschein wiederbekommen, so werde ich deshalb juristische Wege einschlagen, um dagegen zu klagen.
    Ich hoffe, dass ich mit diesem Tatsachenbericht den einen oder anderen Verwender des Freestyle Libre aufmerksam gemacht habe darüber, dass das Gerät Gefahren in sich birgt, wenn man ihm ohne Zweifel vertraut.
    Ganz allgemein gesagt rate ich nun ab von der Verwendung dieses technisch unausgereiften Testgeräts.

    1. Lieber Niels,

      vielen Dank, dass Du Deine Geschichte und Deine Erfahrungen mit uns teilst.

      Erst einmal ist festzuhalten, dass zum Glück nur Blech zu schaden gekommen ist und es Dir zumidest körperlich hoffentlich wieder gut geht. Das mit dem Führerschein ist wirklich ärgerlich. Ich kann Dir nur empfehlen Dich juristisch beraten zu lassen.

      Offiziell darf man mit dem Libre keine Therapieentscheidungen treffen. Also wirst Du an dieser Stelle juristisch nicht weiterkommen. Abbott weißt darauf selber hin und die DDG auch – siehe folgendes Dokument, S. 2:

      „Bei der Verwendung des FreeStyle Libre müssen weiterhin Blutglukosemessungen durchgeführt
      werden (siehe Benutzerhandbuch, Rev. 04/2014),
      – in Phasen mit rasch schwankendem Glukosespiegel,
      – zur Bestätigung einer vom Sensor
      berichteten Hypoglykämie oder drohenden
      Hypoglykämie und
      – wenn die Symptome nicht mit dem Messwert des FreeStyle Libre Flash Glukose
      Messsystems übereinstimmen.“

      Aus: DDG: Stellungsnahme CGM und FGM

      Es tut mir Leid Dir in diesem Punkt keine besseren Infos präsentieren zu können. Ich recherchiere und sammle als Journalistin seit letztem Jahr alle Infos, die ich zu der Ungenauigkeit des Libres bekommen kann. Es gibt sogar Studien, die diese bei bis zu 50% der Sensoren weit über die Toleranzgrenzen hinaus feststellen.

      Siehe hierzu im selben Dokument der DDG, S. 3:

      „In der Studie von Bailey und Kollegen mit dem FGM-
      System wies dagegen nur ca. die Hälfte der Sensoren eine Messgenauigkeit auf, die nach den
      Modellberechnungen für eine auf Sensormesswerten basierende Festlegung der Insulindosis
      empfehlenswert ist [1]. Der Anwender des FGM-
      Systems hatte dabei keinen Anhaltspunkt, ob
      der gerade verwendete Sensor, zu denjenigen ge
      hört, die eine in diesem Sinne ausreichende
      Messgenauigkeit aufweisen oder nicht. Für die Objektivierung der Genauigkeit wäre eine
      Blutglukosemessung notwendig. Weiterhin
      war die beobachtete Messgenauigkeit des FGM-
      Systems am ersten Tag der Nutzung, d. h. am Tag des Legens des Sensors, mit mittleren
      MARD-Werten von ~15% schlechter als an den weiteren 13 Tagen der Nutzungsdauer mit im
      Mittel ~11% [1].“

      [1] Bailey T, Bode BW, Christiansen MP, Klaff LJ, Al
      va S (2015) The Performance and Usability of a Factory-
      Calibrated Flash Glucose Monitoring System.
      Diabetes Technol.Ther. [epub ahead of print]

      Ohne einen Blutzuckertest hättest Du dich also theoretisch wirklich nicht ans Steuer setzen dürfen, wenn man die Warnhiweise von Abbott betrachtet. Das Problem liegt ehr darin, dass Dir dieses System als sicher präsentiert wurde – vom wem auch immer.

      Ich wünsche Dir alles Gute und dass sich die Zeugen ebenfalls melden.

      Viele Grüße,
      Kathy

      1. Liebe Kathy, lieber Nils,

        herzlichen Dank für diese Einblicke! Ich habe seit ein paar Jahren Typ I. Nach kurzer Orientierung landete ich beim Accu-Chek Mobile; für mich als durchaus qualitätssensiblem Menschen das perfekte System für Messungen mit Kapillarblut. Einfach, schnell, zuverlässig.

        Recht kurz nach der Zulassung des Libre durch die meisten Kassen ließ ich mir auch eines zum Test setzen. Ich schwitze stark und treibe Sport; das Teil fiel am dritten Tag nach dem Duschen quasi von selbst ab. Auch hatte es darunter immer mal gejuckt; die Haut war auch deutlich irritiert. Für mich ein eindeutiges Ausschlusskriterium, ich ließ das Projekt Libre also links liegen.
        Was mir damals positiv aufgefallen war, war die tolle Diagnosemöglichkeit in den Nachtstunden. Negativ fiel auf, dass die Werte quasi konstant unter denen des Mobile lagen; hier schlage ich offenbar voll in eine Kerbe – gut zu wissen, das war mir neu. Wer nicht fragt, bleibt dumm.
        Jetzt, vor nun zweieinhalb Tagen, entschloss ich mich für einen weiteren Test; ich hatte das Gefühl, in der Nacht zu harte Blutzuckerachterbahnfahrten hinzulegen und wollte das testen und beheben – Libre also. Der Sensor saß und meine Haut schien es auch zu tolerieren. Einen Streifen Kinesiotape machte ich drüber, nur zur Sicherheit.
        Wieder stellte ich fest, dass die Werte deutlich unter denen meines Accu-Chek lagen – 10 % auf den Wert des Libre addiert und 10 % von dem des Mobile abgezogen ergab dann eine Übereinstimmung. Tja. Schön für’s Gemüt, wenn einem das Gerät immer tolle Werte zeigt, mitunter aber mit fatalen Auswirkungen – wie Nils‘ Bericht eindrücklich zeigt.
        Dass das FreeStyle Libre gar nicht als therapieentscheidendes Gerät zugelassen ist – das war mir gänzlich neu; propagiert wird das freilich von Niemandem und an keiner Stelle. Und es hinterlässt einen wirklich üblen Nachgeschmack. Gefühlte Konvergenzen zur den schneller-besser-maximaler-Effektivitätswahnsinnen unserer heutigen Zeit und der zunehmenden Abflachung von Inhalten und Erfahrungen seien hier nur mal angedeutet und gehören eigentlich auch nicht hierher. Bitte um Entschuldigung für diese zynische Abschweifung.
        Jedenfalls war ich jetzt auch an Punkten, an denen ich eigentlich zum Traubenzucker gegriffen hätte; da ich den Libre aber seit nicht mal zwölf Stunden kleben hatte, kontrollierte ich mit dem Mobile gegen und blieb ruhig.
        Die Nacht zeigte dann eine schicke, langsam und gleichmäßig fallende Gerade mit fantastischem Morgenwert – von Accu-Chek Mobile mehr oder weniger bestätigt. Jetzt weiß ich aber, dass auch dem nicht viel beizumessen ist.
        Den Sport am Tag und das Duschen hat der Sensor ebenfalls ohne Probleme weggesteckt. Insgesamt war ich wirklich glücklich über den positiven Verlauf der Sache. Ich wollte wirklich und habe den Sensor akzeptiert. Er war mir sehr oft gegenwärtig aber wirklich störend nicht.
        Bis gestern Abend – ich hatte den Sensor tatsächlich mal vergessen und zog, wie man das so macht, in einer fließenden Bewegung mein T-Shirt aus: Ratsch, Sensor ab, in einer fließenden Bewegung. Massiver Frust, hochgradig deprimierend … Jetzt frage ich mich, ob ich es dennoch weiter versuchen soll oder nicht; derzeit tendiere ich zu „drauf geschissen“ und bleibe bei meinem bewährten Accu-Chek Mobile: Wie Nils es auch schrieb ist für mich das FreeStyle Libre ein unausgereiftes System, das weit von einer perfekten Lösung entfernt ist. Alltagstaugliche Nutzbarkeit sieht für mich anders aus – betrachte ich das Gesamtbild, ist für mich das Mobile eine perfekte Lösung.

        Zu den negativen Punkten am FreeStyle Libre zählen für mich, nochmal zusammengefasst:
        – Es ist ein Fremdkörper an meinem Körper (ich habe hier eine sehr geringe Toleranz; eine Armbanduhr ist mir meist schon zu viel; ich habe keine Ohr- oder sonstige Löcher, die zum Zeitpunkt meiner Geburt nicht da waren und bin auch nicht tätowiert).
        – Es ist nur ein Schätzeisen, welches mir, nach meiner subjektiven Erfahrung, geschönte Werte zeigt: Raus!
        – Es hält nicht ausreichend auf meiner Haut; zwei von zwei Versuchen überlebten keine vier Tage (anderthalb und drei Tage), bei einem „Versprechen“ von 14 Tagen (Abbot ist da wohl kulant, was das Nachliefern verlorener Sensoren angeht, aber das ist eine rein symptomatische Herangehensweise): Ich müsste also wohl mein Unterbewusstsein so umprogrammieren, dass es 24 Stunden pro Tag darauf Acht gibt, dass da etwas an mir hängt, dem besondere Aufmerksamkeit gegeben werden muss. Fällt aus, ganz klar.
        – Wie ich jetzt bei Kathy las – und so stieß ich auf diesen Bericht – bekäme ich von Abbott für jeden verdammten Sensor eine neue Setzhilfe. Das ist grotesk und kann nicht sein; in einer Zeit und Welt, in der es bald mehr Plastikmüll als lebende Fische in unseren Meeren gibt. Mein Leben hängt nicht vom FreeStyle Libre ab. Meine Werte sind gut, ich habe vermutlich keine frühzeitigen Schäden durch den Diabetes zu befürchten. Die Kassetten des Accu-Chek Mobile, die ich verbrauche, machen mir schon genug Sorgen. Der Müll, den der Libre produziert, schlägt dem Ganzen mit Wucht den Boden aus. Ich wiederhole mich: Das ist grotesk und bizarr; eine große Last für das Umweltgewissen.
        – Der Sensor hat einen nicht unerheblichen Sensorfaden, der recht tief im Gewebe sitzt. Wenn das Teil an meinem Trizeps (oder Pectoralis, Quadrizeps, Abdomen oder sonstwo) sitzt und ich diesen Muskel beanspruche, gibt mir das kein angenehmes Gefühl im Bauch. Auch ohne Beanspruchung – da steckt etwas in einem Bereich meines Körpers, was da nicht hingehört. Ich habe jetzt, nach über acht Stunden ohne Sensor, immer noch ein komisches Gefühl im Muskel (als Vergleich habe ich ja noch das Gegenstück auf der anderen Seite). Im dümmsten Falle entstehen durch den Sensor unterbewusste Schonhaltungen, die sich auf den Körper und damit auf das gesamte System Mensch auswirken (gut, das ist jetzt sehr theatralisch…).

        Mein Fazit: Der FreeStyle Libre erhält von mir ein mangelhaft bis ungenügend. Er hat zwei hervorragende Eigenschaften – die Tendenzangabe und den Verlauf, speziell nachts) – und eine Anzahl negativer Eigenschaften, welche für mich sehr schwer wiegen. Es ergibt sich das Bild eines ungenügenden Systems, welches von einer perfekten Lösung weit entfernt ist. Mir ist bewusst, dass das eine sehr rigorose Sicht ist und die meisten Patienten den FressStyle Libre als die Erlösung ihres Diabetikerlebens schlechthin erfahren. Ich sehe das, nur für mich, anders.
        Ich bin mir sicher, dass der FreeStyle Libre nur der Anfang ist und wir uns in der näheren Zukunft auf deutlich bessere Systeme freuen dürfen, meiner Hoffnung nach solchen, die wirklich flach, klein und wenig invasiv sind.

        Kathy, habe vielen Dank für Deinen Bericht und die Informationen, die ich hier erhielt! Ich wünsche Allen eine gute Zeit.