Ketone – was ist das eigentlich?

Hast Du Ketone gemessen? Sobald ein Mensch mit Diabetes über hohe Werte klagt, wird diese Frage gestellt. Die Angst vor einer Ketoazidose wird den meisten bereits durch das Erleben dieser Übersäuerung des Bluts im Körper bei Manifestation des Typ 1 Diabetes direkt für immer mitgegeben. Auch das Wissen, dass Ketone im Urin eine Ketoazidose anzeigen, gehört zu den Basics – was jedoch so nicht ganz richtig ist. Diese Information, die man in fast allen Schulungen bekommt, ist der Grund für viele Missverständnisse und manchmal unnötige Angst.

Was sind eigentlich Ketone?

„Ketone“ ist ein Überbegriff für chemische Verbindungen, die aus mehreren Molekülen bestehen. Sie bezeichnen eine chemische Stoffgruppe, die eine Ketogruppe besitzt. Manchmal werden sie umgangssprachlich auch „Aceton“ genannt. Aceton ist aber nur eine Variante und die simpelste dieser Verbindungen in unserem Körper. Zudem ist Aceton auch ein Lösungsmittel, dass manchen im Alltag schon begegnet, und wird bei uns in der Leber gebildet. Da steckt also schon ein wenig Wums dahinter aus chemischer Sicht. In den normalen Mengen – also dem physiologischen Normbereich (siehe weiter unten) – ist es unbedenklich und kann problemlos vom Körper verstoffwechselt werden. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren bzw. über den Urin und über die Lunge bzw. die Atmung. Bei letzterem hat man einen süßlich-vergorenen Mundgeruch, der an den Geruch des Lösungsmittel Aceton erinnert. Hierzu aber weiter unten mehr (siehe Kußmaul-Atmung).

Der Unterschied zwischen Ketonen und Ketonen

Ketone sind ein komplexes Themenfeld. Viele Schulungen behandeln nur das Wichtigste. Das ist unvermeidbar und auch sinnvoll, weil man einem Neudiagnostizierten ziemlich viel in ziemlich kurzer Zeit beibringen muss. So entstehen aber bei den Patientinnen und Patienten Wissenslücken, die eigentlich später durch medizinisches Personal oder in Eigenregie gefüllt werden müssten. In diesem Fall kann das Unwissen manchmal problematisch werden. Denn Ketone gehören zu uns, sie sind in normalen Situationen nicht giftig oder gefährlich. Manchmal benötigen wir sie sogar. Gerade wenn man abnehmen möchte, will man Ketone habe. Erst der denkbar schlechteste Kontext, ein erheblicher/absoluter Insulinmangel und eine Übermenge an Ketonen ist problematisch. Menschen mit Diabetes wird diese Unterschiede selten erklärt. Der Mut zur Lücke ist hier zu groß.

Wie entstehen Ketone?

Ketone entstehen bei bestimmten Stoffwechselabläufen im Körper. Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Ketonverbindungen ist, dass sie alle mindestens drei Kohlenstoffatome haben. Daran gebunden sind in der chemischen Verbindung noch andere Bestandteile, die aus organischen Resten bestehen. Das gemeinsame Merkmal der Ketone ist die Ketogruppe, eine Carbonylgruppe (C=0) an deren Kohlenstoff zwei weitere organische Reste gebunden sind, oder anders gesagt eine mindestens 3 Kohlenstoffatome lange Kette mit nicht endständiger Carbonylgruppe. Soweit die chemischen Basics.

Grafik: KMT

Die Ketone, die uns Menschen mit Diabetes besonders beschäftigen, sind die, die beim Verbrennen unserer Fettpölsterchen entstehen. Das geschieht im Rahmen der sogenannten Ketose oder auch Ketolyse. Bei diesem Prozess steigt die Konzentration von Ketonen im Blut an. Benötigen wir Energie, setzt der Körper seine Maschinen in Gang, um an diese zu gelangen. Üblicherweise haben wir genug Nahrung, um daraus die benötigte Energie zu erhalten. Fehlt der Treibstoff durch aktuelle Nahrung, werden die Reserven aus früheren, besseren Zeiten genommen und zu Energie verstoffwechselt. Hier entstehen dann die Ketone. Auch Sport kann genau diesen Effekt auslösen.

Überlebenswichtiger Treibstoff

Der Körper produziert Ketone also selbst. Dann werden die doch erst einmal irgendeinen Sinn haben! Die Evolution hat sich einiges dabei gedacht. In schlechten Zeiten oder während einer Diät müssen wir an unsere Fettreserven, um nicht zu verhungern und weiterhin genug Energie zu haben. Bei diesem biochemischen Prozess entstehen Ketone vereinfacht gesagt als „Abfallprodukt“. Aber dieses „Abfallprodukt“ gehört erst einmal nicht auf den Müll, weshalb dieses oft verwendete vereinfachende Wort etwas irreführend ist. Ketone liefern uns kurzzeitig die benötigte Energie, die unser Körper kontinuierlich benötigt, um zu funktionieren. Sie können zeitweise sogar die Glucose als Energielieferant vollkommen ablösen. Egal ob Diabetes oder nicht: Ketone gehören also zu unserem Stoffwechsel dazu.

Hungerketone

Die „bösen“ Ketone und die Hungerketone sind eigentlich dasselbe. Beide Wörter fassen vor allem drei chemische Varianten der Ketone zusammen: Acetoacetat, 3-Hydroxybutyrat und das bereits erwähnte Aceton. Keines davon ist besser oder schlechter. Aber die Menge macht den Unterschied! Hat man zu viel Ketone im Blut, übersäuert dieses und der Körper versucht die Ketone loszuwerden. Das geschieht wie oben erwähnt über Urin und die Atemluft. Wir haben Ketone auch nicht für uns allein gepachtet. Menschen ohne Diabetes produzieren sie genauso, sie haben nur nicht den Störfaktor durch das fehlende eigene Insulin, dass die Glucose, die einer unserer Energielieferanten ist, in unsere Zellen bringt. Menschen ohne Diabetes, die eine extreme Crash-Diät machen, nehmen genauso den süßlich-vergorenen Mundgeruch wahr, da sich auch ihr Körper in der Ketose befindet. Also ist nun klar, dass erst zwei Faktoren Ketone zu einem Problem machen: ein deutlicher Überschuss an Ketonen und der erheblicher/absoluter Insulinmangel.

Was ist eine Ketoazidose?

Die diabetische Ketoazidose ist eine Übersäuerung des Blutes durch eine zu hohe Konzentration an Ketonen, die meist einhergeht mit einem erheblichen Insulinmangel (andere Varianten, die auch Menschen ohne Diabetes betreffen, wie z.B. durch Alkoholmissbrauch werden hier nicht thematisiert). Dieser Mangel an Insulin muss über einen längeren Zeitraum bestehen. Eine diabetische Ketoazidose entsteht in der Regel nicht an einem Abend durch nur einen sehr hohen Wert. Leider kann man nicht pauschal sagen, dass der Insulinmangel X Stunden bestehen muss, um eine solche Ketoazidose zu verursachen. Zudem ist es auch nicht möglich zu sagen, dass ein Blutzuckerwert in der Höhe X ein Indiz ist. Zu viele Faktoren beeinflussen hier den Ablauf. Hat man beispielsweise eine Entzündung im Körper, kann das viel schneller gehen. Auch spielen die generelle Verfassung und Ernährung des jeweiligen Menschen eine Rolle.

Der Ketoazidose geht also die Ketose voraus, der Fettverstoffwechselung. Deswegen ist es ein typisches Symptom bei einem noch nicht diagnostizierten Diabetes, dass ein deutlicher Gewichtsverlust stattfindet. Das Insulin fehlt, um die Glucose in die Zelle zu bringen. Der Körper hat zwar genug Energie im Blut, kommt aber nicht dran. Um seine Energieversorgung zu sichern, beginnt er mit der Ketose. Es ist schon etwas absurd, dass mal wieder etwas, was eigentlich unser Leben sichern soll, uns Menschen mit Diabetes dann doch wieder massiv gefährdet. Russisches Roulette in der „Diabetes Special Edition“.

Da viele Faktoren, die zu einer Ketoazidose hinführen, gar nicht eindeutig von einem selbst bestimmt werden können, ist die Selbstdiagnose sehr schwierig. Generell ist Vorsicht geboten und man sollte lieber zu früh als zu spät medizinischen Rat einholen.

Foto: Saskia Kaup @www.diafeelings.com

Wie erkenne ich eine Ketoazidose?

Im Grunde kann man eine diabetische Ketoazidose nie 100%ig selbst erkennen. Es gibt einige Indizien, die uns warnen. Verschiedene Symptome weisen uns darauf hin, aber auch diese können variieren. Der Körper kämpft zunächst über verschiedene Mechanismen gegen das Sinken des pH-Wertes, der anzeigt, ob eine Flüssigkeit eher sauer, neutral oder basisch ist, im Blut an. Ein frühes Symptom ist die sogenannte Kußmaul-Atmung, die leider eher selten bekannt ist (siehe unten). Weitere Symptome sind eine ausgesprochen starke Müdigkeit, die jedoch oft bei hohen Werten vorkommt. Eindeutiger sind da schon Bauchschmerzen, Erbrechen und Übelkeit in Zusammenhang mit hohen Werten. Zusätzlich sind starker Durst und Wasserlassen ein weiterer Hinweis. Fallen der Urintest oder der Bluttest (hierzu werden spezielle Messgeräte benötigt) positiv auf Ketone aus, muss man sich erst einmal bewusst machen, wann man zuletzt Kohlenhydrate gegessen hat und ob man Sport gemacht hat. Denn bei Hunger oder Sport sind die Ketone normal. Kann man ausschließen, dass die Ketone hierdurch zu Stande kamen und ist der Wert deutlich erhöht, kann sich eine Ketoazidose entwickeln oder bereits bestehen. In diesem Fall sollte man den Anweisungen folgen, die man von seiner behandelnden Diabetologin oder Diabetologen erhalten hat. Man sollte auf keinen Fall allein sein und den Gang ins Krankenhaus nicht scheuen. Eine richtige Ketoazidose ist ein Zustand, der medizinische Betreuung durch Fachpersonal erforderlich macht.

Ketone messen

Die Blutketonmessgeräte ermöglichen mittlerweile eine etwas genauere Einordnung, da sie konkretere Werte angeben. Urinteststreifen für Ketone sind recht ungenau und schlagen eigentlich erst deutlich an, wenn der Körper schon zum äußersten Mittel greifen muss: der Ausscheidung über den Urin. Beide Messvarianten geben Werte an. Die Urinsreifen sagen eigentlich nur, ob keine (neg.), wenige (+ oder ++) oder viele Ketone (+++) im Blut sind.  Die blutige Messmethode gibt Werte zwischen 0 bis meist 7 mmol/l an. In den Facebook-Gruppen sieht man jedoch immer wieder Fotos der Geräte mit Werten zwischen 1-4 mmol/l. Die Postersteller haben meist schon Angst eine Ketoazidose zu haben, weil zu selten die richtige Interpretation der Werte beigebracht wird. Erst ab 5 mmol/l Ketone im Blut spricht man von einer beginnenden oder bestehenden Ketoazidose. Die Werte unter 5 mmol/l geben normale Bereiche der Ketone im Blut an.


Physiologischer Normbereiche
Grafik: KMT

Natürlich können auch niedrigere Werte darauf hinweisen, dass man sich auf den Weg in eine Ketoazidose befindet. Der Prozess hin zur Übersäuerung geht ja über die Ketose. Hier muss wieder der Blick auf Blut- oder Gewebezucker erfolgen sowie überlegt werden, ob Hunger oder Sport Hauptgrund sein könnten, und ob es bereits andere Symptome gibt.

Kußmaul-Atmung als Warnsystem

Die Atemfrequenz verändert sich ebenfalls, wenn die Ketonkonzentration im Blut ansteigen, was bei manchen Menschen Angst auslösen kann. Man hat immer wieder das Bedürfnis sehr tief einzuatmen und den Brustkorb mit möglichst viel Luft zu füllen, wie beim Seufzen oder Gähnen. Diesen Effekt nennt man Kußmaul-Atmung oder Azidoseausgleichsatmung. Das Wunderwerk Körper versucht sich damit selbst zu helfen. Stellt man diese schnellere, aber vor allem sehr tiefe Atmung in Zusammenhang mit dem süßlich-vergorenen Mundgeruch fest, muss man handeln. Der Körper möchte so den Abfall des pH-Wertes im Blut verhindern. Viele Menschen mit Diabetes haben diese Kußmaul-Atmung recht früh, wenn Probleme mit Ketonen im Körper bestehen. In der Regel setzt dieses Phänomen ein, bevor Ketone über den Urin ausgeschieden werden. Achtet man darauf, kann es einen bei einer guten Körperwahrnehmung sogar früher warnen, da es üblicherweise eines der ersten Symptome einer Ketoazidose sein kann. Für diejenigen, bei denen das so ist, kann diese Form der Atmung ein vorsichtiges Indiz sein, dass etwas nicht stimmt. Blut- oder Gewebezucker sollten dann sofort überprüft werden und auch ein Urintest mit Ketonstreifen oder auch ein Blutketontest können hier weiterhelfen.

Vorsicht bei der Selbstdiagnose!

Die Ketoazidose ist der Worst Case für Menschen mit Diabetes. Die Angst davor ist groß und viele diagnostizieren eine Ketoazidose bei sich selbst, weil sie entweder einen hohen Gewebe- oder Blutzuckerwert haben oder sie sich selbst – meist mit sehr ungenauen, veralteten Urinteststreifen – positiv auf Ketone testen. Beides kann, muss aber nicht auf eine diabetische Ketoazidose hinweisen und da wird es gefährlich. Wir bekommen ein Schema zur Behandlung einer Ketoazidose beigebracht, dass uns sagt, wir sollen unsere jeweils individuelle Insulinmenge zur Korrektur verdoppeln. Das kann ganz schön schief gehen, wenn dann doch keine Ketoazidose vorliegt. Ich wäre daher immer sehr vorsichtig und würde nie alles auf einmal spritzen, sondern in Intervallen. Dann kann man sehen, ob man normal auf sein Insulin reagiert oder ob gerade alles durch eine Übersäuerung durcheinander ist und das Insulin schlechter wirkt. Habe ich den Verdacht, dass tatsächlich eine Ketoazidose vorliegt, würde ich in ein Krankenhaus gehen. Denn eine richtige Ketoazidose ist ein kritischer gesundheitlicher Zustand, der durchaus von medizinischem Fachpersonal behandelt werden sollte.

Die hier im Text gegebenen Informationen sind anhand der unten aufgeführten Quellen mit höchstmöglicher Sorgfalt recherchiert worden. Fehler sind dennoch nicht auszuschließen. Generell sollten bei medizinischen Problemen immer eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden. Die hier gegebenen Informationen dienen nicht zu Therapieentscheidungen.

Quellen (Auswahl):

http://www.chemie.de/lexikon/Acetessigs%C3%A4ure.html (zuletzt abgerufen am 09. März 2019, um 11.40 Uhr).

http://www.chemie.de/lexikon/Aceton.html (zuletzt abgerufen am 09. März 2019, um 11.30 Uhr).

http://www.chemie.de/lexikon/Diabetes_mellitus.html (zuletzt abgerufen am 09. März 2019, um 11.45 Uhr).

http://www.chemie.de/lexikon/Ketone.html (zuletzt abgerufen am 22. Februar 2019, 20.15 Uhr).

http://www.chemie.de/lexikon/Ketok%C3%B6rper.html (zuletzt abgerufen am 09. März 2019, um 11.40 Uhr).

https://www.spektrum.de/lexikon/chemie/ketone/4866 (zuletzt abgerufen am 22. Februar 2019, 20.10 Uhr).

https://de.wikipedia.org/wiki/Acetessigs%C3%A4ure (zuletzt abgerufen am 22. Februar 2019, 20.00 Uhr).

https://de.wikipedia.org/wiki/Aceton (zuletzt abgerufen am 09. März 2019, um 10.45 Uhr).

https://de.wikipedia.org/wiki/3-Hydroxybutans%C3%A4ure (zuletzt abgerufen am 22. Februar 2019, 20.00 Uhr).

https://de.wikipedia.org/wiki/Ketone (zuletzt abgerufen am 22. Februar 2019; 19.20 Uhr).

https://de.wikipedia.org/wiki/Ketose_(Stoffwechsel) /zuletzt abgerufen am 09. März 2019, 11.15 Uhr).

https://de.wikipedia.org/wiki/Ku%C3%9Fmaul-Atmung (zuletzt abgerufen am 23. Februar 2019; 10.00 Uhr).


2 responses

Schreibe einen Kommentar